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Heidi Kippenberg

Experiment & Klassizität
Heidi Kippenberg zum 80. Geburtstag

Einst war sie Schülerin eines Klassikers moderner deutscher Keramik – 2021 nun wird sie 80 und ist Klassikerin selbst schon lange: Heidi Kippenberg.

Mitte der 1960er Jahre hatte sie bei Walter Popp studiert, jenem faszinierenden Lehrer an der Kasseler Kunsthochschule, dessen Werk dem keramischen Gefäß neue Dimensionen erschloß mit vom malerischen Informel inspirierten Glasuraufträgen und aus Drehteilen montierten Gefäßkompositionen. Heidi Kippenberg hatte die Gefäßästhetik Popps verinnerlicht, zugleich aber mit einer eigenen, feinen Note sich anverwandelt, was ihre Steinzeugarbeiten dem Connaisseur gleichermaßen ‚Kasselsch‘ wie unverkennbar ‚Kippenbergsch‘ machte: Kräftig gedrehte, ungeziert starkwandige, formbestimmte Gefäße von plastischer Präsenz, halbkugelige Schalen, eingezogene Zylinderformen, Kugeln, Becher und Walzen auf abgesetztem Fuß, angetan mit monochromen, dicklagig opaken Glasuren, oxidgefärbten Feldspat- und unrein-schwarzbraunen Aschenglasuren, oft gegenläufig getaucht, geschichtet, oft versehen mit zeichenartig kontrastierenden Glasurakzenten oder tachistischen Spritzern; früh mitunter auch komplexe Montagen, die das Gefäß in eine rhythmisch-gegliederte, plastische Komposition verwandelten.

Und doch befriedigte die Prägung durch Popp Heidi Kippenberg auf Dauer nicht. Nach wenigen Jahren in der Kasseler Spur verspürte sie ein Ungenügen: Je länger je mehr schien ihr das keramische Material selbst zu dominiert vom gestaltenden Willen, unberücksichtigt in seinem Eigenwert und -leben. So suchte sie nach einer Verbindung ihrer keramischen Herkunft mit einer töpferischen Gelassenheit zu einer unangestrengteren Einfachheit. Es schwanden die lichte Glätte und kühle Perfektion ihrer frühen Gefäße zugunsten genuin keramischer Möglichkeiten: Ab 1973 fertigt sie neben Gedrehtem gebaute und montierte Gefäße, beläßt Drehrillen, schneidet, ritzt und legt abstrakte Reliefdekore auf, läßt Oberflächen aus der Machart leben und durch den dünneren, in seiner Chromatik zurückhaltend natürlicher erscheinenden Glasurauftrag atmen.

Es ist ein keramisches Œuvre aus mehr als einem halben Jahrhundert zu bewundern!